Zündorf - der Rhein und die Groov

Der Ursprung einer Besiedlung kann aufgrund zahlreicher Funde aus dem 3.-9. Jahrhundert in die fränkische Zeit gelegt werden. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte bereits im Jahr 1008, als die kinderlose Gutserbin Eveza nach dem Tod ihres Gatten Hugo ihre Besitz-hälfte der Kirche nebst Grundbesitz in Oberzündorf dem Kölner Erzbischof Heribert schenkte, der diese Schenkung an das von ihm zuvor gegründete Kloster in Deutz weiterreichte.

Eine weitere Urkunde aus dem Jahr 1155, in der erstmals die Existenz der Niederzündorfer romanischen Pfarrkirche „St. Mariä Geburt“ (heute St. Michael, dendrographisch auf 1030 datiert) erwähnt wird, sowie die Oberzündorfer romanische Kirche St. Martin beweisen die Eigenständigkeit der beiden Dörfer Ober- und Niederzündorf.

Der Name „Groov" für das Gebiet am Rhein kommt vom gallischen Wort „grava" (= Kies, Sand, Sandbank) und bezeichnet die ehemalige Insel zwischen dem Rhein und seinem Nebenarm vor den im Mittelalter selbstständigen Orten Ober- und Niederzündorf.

Die Bezeichnung „Werth“, die wir rheinauf- und -abwärts kennen (Kaiserswerth, Nonnenwerth und Grafenwerth), hat die gleiche Bedeutung.

Die Gewalt des Rheinwassers brach immer wieder Teile des Ufers ab, schwemmte an anderer Stelle Land an und ließ Inseln entstehen. Von ihnen ist in zahlreichen Urkunden    seit dem Mittelalter die Rede. Es ist anzunehmen, dass der zwischen Weiß und Zündorf  sehr breite Rhein, auf der rechten Seite mit geringerer Fließgeschwindigkeit, schon früh diese Insel entstehen ließ, was sich auch durch den alten gallischen Namen erklärt.           Die in unserer Region so entstandenen Inseln gehörten nach altem Recht den Bergischen Landesherren, die sie zum Korbweiden- und Weinanbau, aber auch als Viehweiden verpachteten.

Schon sehr früh erkannten die Zündorfer, dass sich dieser ruhige Rheinnebenarm hervorragend dazu eignete, mit Schiffen und Booten hier anzulanden. Von hier aus konnte man gut Fischfang betreiben, aber auch die Waren aus dem Bergischen Land rheinauf- und -abwärts  transportieren, ähnlich wie in Mülheim.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erlebte Niederzündorf einen wirtschaftlichen Aufschwung:

Am 7.Mai 1259 verlieh der Erzbischof Konrad von Hochstaden der Stadt Köln das Stapelprivileg:

„Kein Kaufmann aus Ungarn, Böhmen, Polen, Bayern, Schwaben, Thüringen, Hessen und anderen östlichen Ländern durfte mit seinen Waren über Köln hinausziehen, keiner aus Flandern, Brabant und anderen Gegenden jenseits der Maas und den Niederlanden über Rodenkirchen hinaus, keiner vom Oberrhein weiter als Riehl. Stattdessen mussten sie ihre Waren in Köln ausladen und drei Tage öffentlich zum Verkauf anbieten. Unter diese Regelung fielen auch alle Güter, die auf dem Landweg nach Köln gelangten. Kaufen durften diese Waren nur Kölner. Zuerst die Bürger, die damit immer frisches Fleisch und guten Wein auf dem Tisch hatten, dann die Kaufleute der Stadt.

Zum Stapelrecht gehörte auch eine Qualitätsprüfung der angebotenen Waren. Stellten die Kölner Mängel fest, durften sie die Ware verbrennen oder in den Rhein kippen. Wer in Köln beim Verstoß gegen die Stapelbestimmungen ertappt wurde, musste mit strengen Strafen rechnen. Jeder Kölner konnte ihn festnehmen. Verließ er Köln ohne Erlaubnis, verfiel er mit Leib und Gut dem Bürger, der ihn festgenommen hatte“.

 (Quelle: Carl Dietmar: Die Chronik Kölns, S. 87)

„Nieder-Zündorf im Kreise Mülheim hat gleichfalls eine Spedition über den Rhein. Die Gegenstände seiner Versendung nach dem Oberrhein bestehen theils in Colonialwaaren und Seeprodukten, die es über Duisburg, Düsseldorf und Mülheim um Cöln herum zu Lande erhält, theils aus den Produkten und Fabrikaten des Bergischen Landes. Die Gegenstände der Versendung nach dem Unterrhein bezieht es  hauptsächlich von Mainz und namentlich Weine auch von andern Plätzen des Mittelrheins und aus der Mosel, welche ebenfalls um Cöln herum zu Lande weiter geschickt werden. Es versandte 1809: 31111 Centner.“

(Quelle: F. von Restroff: Topographisch-Statistische Beschreibung der Königlich-Preußischen Rheinprovinzen, Berlin/Stettin 1830; Bibliothek des Kölnischen Stadtmuseums - die 31111 Centner entsprechen ca. 1.750 Tonnen).

Dass die Kaufleute natürlich über diesen Kölner Zwangsaufenthalt nicht begeistert waren, versteht sich von selbst. Eine Lösung war schnell gefunden: Da man in Köln wegen des unterschiedlichen Tiefgangs am Ober- und Niederrhein sowieso die Ladungen von den  oberrheinischen („Oberländer“) zu den niederrheinischen Schiffen wechseln musste, lud  man in Zündorf die Waren auf Pferdefuhrwerke, brachte sie um Deutz (Stadt Köln) herum nach Mülheim, um sie von dort wieder mit Schiffen zum Niederrhein zu transportieren - und umgekehrt.

Der wirtschaftliche Wohlstand, der sich in Niederzündorf durch den regen Handel entwickelte, ist nicht zuletzt Folge der Ansiedlung von evangelischen und jüdischen Handelsherren. Diese errichteten sich hier zwischen Rhein und Hauptstraße repräsentative Fachwerkhäuser sowie größere und kleinere Bürgerhäuser, zu denen Lagerhäuser mit großen, teilweise miteinander ver­bundenen unterirdischen Kellergewölben gehörten.

So durchzieht noch heute ein Netz von unterir­dischen Kellern Teile von Niederzündorf.

Das Stapelprivileg dauerte bis 1794, als Napoleon nach Köln kam und es „de facto“ aufhob.

Erst 1831 wurde es „de jure“ außer Kraft gesetzt. Seit dieser Zeit verlor Niederzündorf seine wirtschaftliche Blüte.

In der Folgezeit von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Schifffahrtsverwaltungen auf der gesamten Rheinlänge die Flussrinnen begradigten, also den Rhein verkürzten, um schneller auf den Schiffen transportieren zu können, wurde auch der obere Zufluss zum Zündorfer Hafen 1849 geschlossen, die Groov wurde zur Halbinsel, und der alte Rheinarm verlandete zur Lagune.

Allein im Bereich des Oberrheins wurde die Rheinlänge um ca. 70 km gekürzt, wobei zwangsläufig Wasserrückhalteflächen wegfielen und sich die Fließgeschwindigkeit des Rheins erhöhte. Dies hatte wieder zur Folge, dass bei längeren Niederschlägen das Wasser vom Oberrhein und seinen Nebenflüssen schneller abtransportiert wurde und in Köln zu den gefürchteten Hochwassern führte.

Vom ehemaligen Rheinarm sind zwei Teiche, der obere und untere Groov-Teich, geblieben. Im Bereich der früheren Mündung dieses Nebenarms wurde später der Zündorfer Jachthafen angelegt. 1975 wurde die Groov vom Landschaftsarchitekten Prof. Zimmermann zu einer parkähnlichen Anlage umgebaut und erhielt einen Landschaftspreis (Plakette an der Stützwand des Markts vor dem Nepomuk-Denkmal, rheinseitig).

Die Groov wurde zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.